Editorial
Liebe Freunde, Kollegen, Medienschaffende,
der Herbst ist nicht mehr weit – wir hoffen jedoch noch auf Sommer und finden es schwierig mit dem Faulenzen aufzuhören. Die neueste Lyrik der Dichterin Lütfiye Güzel macht es uns allerdings einfach, sich wieder an die Arbeit zu machen – und sie hier zu präsentieren.
Dem Titel ihres aktuellsten Werkes „Elle-Rebelle“ – diesmal schön rudimentär publiziert als Handzettel – macht sie auf jeden Fall nicht nur in gedruckter Form alle Ehre. Und hat auch gerade noch damit den Literaturpreis Ruhr gewonnen. Wir gratulieren!!!
Bleibt lässig, auch wenn der Herbst naht….
Eure,
Silke Vogten und Flora Jörgens
Titelbild sowie alle folgenden Bilder Silke Vogten
Bildmontage, Silke Vogten, 2017
Elle-Rebelle
21.45 uhr
eine dokumentation
über beuys gesehen
& obwohl ich das alles weiss
stehe ich am ende
& auch am anfang
wieder da
& hänge einen teebeutel
in die tasse
die gedichte werden nicht mehr
die gedichte sind tote hasen
zurück über den marktplatz
das stadtfest der leute
die vergessen haben
dass nieren
versagen können
Worte wie schrift auf Häuserwänden
worte wie schrift auf häuserwänden
gelesen von analphabeten
Lütfiye Güzel
Bildmontage, Silke Vogten, 2017
Elle-Rebelle
gegen heimat
alle verjagen aus der heimat
& familien wegwerfen
gegen heimat
& gegen wurzeln
zuhause
endlich
schließen
durch das fenster mich gesehen
durch das fenster
mich gesehen
& dann das papier darauf gelegt
das löschpapier
Lütfiye Güzel
Bildmontage, Silke Vogten, 2017
meinen kopf schützen
hier ist mein zufluchtsort
da bleibe ich sitzen
& schaue durch die augen
auf die köpfe der anderen
die nebeneinander her marschieren
verbunden durch dummheit
& schwäche
das klebt wie klebstoff
nur ein einziges rufen
& sie kommen
wie hunde
Lütfiye Güzel
Die Künstlerin dieser Ausgabe:
Lütfiye Güzel
Lütfiye Güzel, geb. 1972 in Duisburg Hamborn haut rebellisch ihre Gedichte raus – und überzeugt damit ihre Leser und Zuhörer. Und davon gibt es mittlerweile reichlich. Nach „Herzterroristin“ und „Trist Olé“, erschienen beim Duisburger Verlag Dialog Edition, kam 2015 ihr Buch: „Hey Antiroman“ raus, danach 2016 ‚hadi hugs‘ (Selbstgespräch), „faible“, und „Oh No!“ Ihr aktuelles Werk „Elle-Rebelle“ verteilt sie aus guten Grund im Selbstverlag go-güzel-publishing als lose Handzettel. Warum? All das ist auch im großen Interview-Porträt „Kein Bock auf Literaturagenten“ in der Zeitung „der freitag“ kürzlich abgedruckt worden.
Güzel hat Erfolg – und das ohne sich an Verlage und den „Zirkus der Eitelkeiten, der den Literaturbetrieb beherrscht wie jede andere pseudoglamouröse Branche auch“, anzubiedern. Ihr nächstes Buch erscheint im Dezember 2017, diesmal heißt es „Nix Meer“ und damit hat sie erstmals auch Prosa im Gepäck. Wir sind gespannt.
Mehr Infos unter http://luetfiye-guezel.tumblr.com
Lütfiye Güzel Porträt /Interview
Carola Wegerle
Tolle Lyrik! Gefällt mir sehr.
Flora
Go, Güzel, go! Die Idee mit den Handzetteln finde ich großartig.