Titelbild: Judith Nothnagel, V1 Strip_Station
Editorial
Liebe Freunde, Kollegen, Medienschaffende,
Alles neu macht der Mai… Oder so ähnlich.
Silke hat mit „French Exit“ ein neues Buch am Start. Das ist die Verlagsinformation vom Verlag Trikont Duisburg/ Dialog Edition:
Porträts, Pamphlete und ein eleganter Abgang
In ihrem neuen und fünften Lyrikband „French Exit “ berichtet die Autorin und Lyrikerin Silke Vogten gewohnt lakonisch über das Draußen, ihr Drinnen, zeichnet mit Worten ein paar Porträts, liefert einige starke Pamphlete ab – und hat ein leicht verstörendes Rendezvous mit einem künstlichen virtuellen Partner. Da bleibt nur noch der French Exit. Und das möglichst elegant… Gedichte als Kontrast zur allseits steigenden Temperatur. Meistens melancholisch. Dazwischen wütend. Immer schön eigensinnig.
Daraus gibt es in der aktuellen Escapade eine Leseprobe.
Die Buchpräsentation findet auf der 26. Langen Buchnacht am 17. Mai 2025, 20.15 Uhr in Berlin statt. Mehr Infos zur Lesung und das komplette Programm findet ihr unten.
Besondere Freude ist es auch, dass die großartige Düsseldorfer Medienkünstlerin Judith Nothnagel – wir präsentierten einige ihrer Arbeiten in unserer März Ausgabe 2024 – das Coverbild für Silkes neuen Lyrikband zur Verfügung gestellt hat. Das Bild V1 Strip_Station ist auch das Titelbild der hiesigen Ausgabe. Weiterer ihrer Werke zeigen wir ebenfalls in der aktuellen Mai Ausgabe. Darunter etwa Bilder aus der Infra_Sonic Serie. Diese Arbeiten von Judith Nothnagel, deren Themen u.a. Identität, Raum, Zeit sind, fokussieren die digitale Gesellschaft. Bilderfluten und Veränderungsprozesse werfen Fragen nach unseren Bewertungen auf. In dieser Serie der Künstlerin sind so typische Bewegungen und Körperhaltungen stilisiert.
Wir wünschen euch einen schönen Frühling – und bleibt kritisch.
Eure Flora Jörgens
Bild: Judith Nothnagel_ Infra_Sonic_ Serie
Aus French Exit:
Draußen
Säurebad
Im Säurebad
von Social Media
gibt es mehr zu verlieren
als nur die eigene Haut
Es ätzt zudem
Knochen, Rückgrat,
das letzte bisschen Hirn
sowie ganze Gemeinschaften
zischend
weg
Porträts
Hanni und Nanni
Eines Tages
stand er zu lange
starrend vor dem Supermarkt
machte sich verdächtig
weil es ein Sonntag war
und alles geschlossen
Warum stand er dort?
Was machte er da?
Ein Polizeiwagen kam
dann zwei dann drei
dann vier
„Was machen Sie hier?“
Er war überrascht
von dem Aufgebot
und erzählte ihnen
die Geschichte
von seinem Vater
der vor einiger Zeit
an dieser Supermarktkasse
zusammengebrochen war
„Tot. Herzinfarkt. Ich denke hier an ihn.“
Die Beamten nahmen das hin
und ihn auseinander
und sie wunderten sich
dass ein erwachsener Mann
in den Satteltaschen seines Fahrrads
wichtige Dokumente in einem
„Hanni und Nanni“
Plattencover aufbewahrte
Aber er fand, er hätte
an diesem Sonntag
schon genug erklärt
Pamphlete
Schichtsalat
Das kollektive Böse
das wir alle in uns tragen
Schichtsalat
oben die frischen Radieschen
darunter viel Käse
und ganz unten
schmeckt’s verfault
Ein Rezept
wie von C.G. Jung
Bild: Judith Nothnagel_ Infra_Sonic_ Serie
KI- Intermezzo Teil I
Neue Begleiter
Gehen wir davon aus
es läuft optimal
Ethisch, moralisch gut
und gerecht
(also wie es niemals läuft)
Dann würde mir
so wie allen anderen
bald ein eigener synthetischer Freund
oder virtueller Partner
zur Seite gestellt
Künstlich intelligenter als ich
Wäre mein Kompass
wohlwollender Begleiter
justiert mich auf allen
ethisch moralisch gerechten
Wegen
Halleluja
In einer besseren Welt
zu einem besseren Ich
Den kategorischen Imperativ
nie mit Ausreden tretend
Mich sanft zurechtweisend
Unvernunft vermeidend
Ambivalenzen ausgleichend
Nun:
Diese Trümmer
und monströsen
Auswüchse
am Wegesrand
möchte ich nicht sehen
wenn die Natur
des Menschen
dagegen
mit voller Wucht
zuschlägt
reinbeißt
verbiegt
zertrümmert
und
vernichtet
oder Kapital daraus schlägt
Drinnen
Trick
Ich tu einfach so
als wäre ich schon
immer da gewesen
Tausende Jahre alt
so kann ich abwinken
und nichts kann mich
noch überraschen
keine Kriege
keine Dummheiten
keine Grausamkeiten
dieser Trick
funktioniert fast
immer
Epilog
French Exit
Sich in
Unschärfe
auflösen
immer mehr
Kontur
verlieren
vielleicht für die Dauer
eines Chansons
von Françoise Hardy
vielleicht zu
le Temps de l’amour
und dann gänzlich
verschwinden
wäre ein eleganter
Abgang
(Silke Vogten)
Bild: Judith Nothnagel_ Infra_Sonic_ Serie
Künstlerinnen dieser Ausgabe:
Judith Nothnagel ist Medienkünstlerin. Genres: Fotografie, Malerei, Medienkunst, Installation. Studium der Visuellen Kommunikation und Kunst an der Fachhochschule Düsseldorf. Diplom. Lebt und arbeitet in Düsseldorf und am Niederrhein. „Meine Arbeiten sind sensorische bis imaginäre Reflexionen von Orten des Zeitgeschehens.“ Mehr Infos zur Künsterlin hier
Silke Vogten veröffentlichte bislang fünf Lyrikbände und einen Kurzgeschichtenband. Alle im Verlag Trikont Duisburg Dialog Edition. Dazu gibt sie zusammen mit Flora – und das immer weiter und weiter – seit 2010 diesen Kunstbrief heraus. Mehr ist nicht zu sagen.
Lesung 17. Mai 2025:
Die Buchpräsentation von „French Exit“ findet auf der 26. Langen Buchnacht in der Oranienstraße am 17. Mai in Berlin statt.
Hier das komplette Programm:
Besonderers Augenmerk geht hier auf die Lesungen in der legendären Kneipe „Zum Goldenen Hahn“ veranstaltet von TextFlex. Wir freuen uns auf euch.