November

Editorial

Liebe Freunde, Kollegen, Medienschaffende,

verrückte Zeiten. Wir indes lassen uns nicht beirren. (Irre sind wir ja schon) Und unser Name steht für heimliche Flucht – dahin wo es schöner ist.

Diesmal widmen wir uns der Dichterin und Fotografin Nicola Seitz, die mit ihrem Lyrikband „einerseitz“im Trikont Verlag Duisburg/Dialog Edition auftischte. Und dann „andererseitz“ konsequent nachlegte. „Es ist eine reine Freude, dass keine reflektorischen Vokabeln in den Texten vorkommen. Show, don’t tell. Die Autorin zeigt, erzählt, träumt“, so eine Rezension.

Klingt geheimnisvoll? Ist sie auch. Aber wir sind ihr auf der Spur – auch weil Nicola in der aktuellen Escapade nicht nur mit ihren Gedichten vertreten ist, sondern auch das Bildmaterial dazu liefert. Was uns nochmal besonders freut.
Denn so kommen wir ihr – gemeinsam auf der Flucht vor der merkwürdigen Zeit – ein Stück näher.

Lest, schaut, bleibt gelassen und steckt euch nicht an.

Eure,

Silke Vogten und Flora Jörgens

 


Titelbild:“Bar“ Nicola Seitz

 

Andererseitz

Gedanken zum Einschlafen

Irgendwo am anderen Ende der Welt
geschieht etwas
was, wer weiß
und warum mit mir
zu tun hat
mich beruhigt der Gedanke
in China sei
ein Sack Reis umgefallen

Gans Ganz

Einst sah ich eine Wolke,
vor der Wintersonne
kalt und dunkel
war es geworden
nicht so auf der
ganzen Welt
flog doch schon über Wolken
dort wars sonnig
drunter hier und da
bewölkt,
irgendwo
hatte die Wolke
ihre Wirkung
schon verloren
meine Ideen fliegen
treu trottelt kopflos
mein Körper hinterher
dabei spreche ich gerne
mit Händen und Füßen

 


Bild: „Wolke“ Nicola Seitz

Andererseitz II

Eistiger, geistiger Gefährte

wir haben uns nicht
verabschiedet
nicht als es zu Ende war
und nicht
von unseren Ideen
so starre ich tiefgekühlt
auf meinen nahen Unbekannten
und mein verwaschenes Bild
mit Daumen, Meißel
und Kettensäge

Kopie, Paste, Posse

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Das, „du“ kann ich mir noch gefallen lassen
der Rest ist so sympathisch
wie Safer Sex zwischen Lauschangriff und Rasterfahndung
Seit wann, geht mich meine Geschichte an
seit wann gehen mich meine Gefühle an
seit wann geht mich mein Geschmack an?

 


Bild: Nicola Seitz


Bild:“Männerschatten“ Nicola Seitz

 

Andererseitz III

Grenzüberschreitende Einheit

einer neuen Version
halte hoch was
mich fest hält
selbstvergessen
bin ich darüber gestolpert
„want you to want me“
einsam orientierter
verfügbarer Spielraum
auf dem Holzweg
wesentlicher
Unterschiede
in Aktion
in Reaktion
fühlbar überlebbar
in der Magie von Abschiedsküssen
gegenständlich gegenwärtig
in Kooperation
ohne finale Bestätigung

Das Essen steht vor der Tür

seit zwei Tagen klingele ich
immer so um sechs
in der Hoffnung
sie macht nicht auf
sie macht nicht auf
ich habe Butter gekauft
wird doch nicht tot sein
die Alte, die
aus dem Fenster gelugt hat
Kinder beobachtet
klapperdürr geworden ist
mit der Polizei und Feuerwehr
durchs Fenster gesprochen
nicht aufgemachte
sie hatten die Leiter
zu ihrem Badezimmerfenster aufgebaut
sie sind dort hochgestiegen
dann hat man sie mitgenommen
ins Krankenhaus gebracht
die, die in zwei Tagen wieder kommt
die, die meint seit ihr Mann tot sei
interessiere sich die Welt
nicht mehr für sie


Bild: „Katze“ Nicola Seitz

 

Andererseitz IV

Angst zu fehlen

Wiederholungstäter
machen Fehler
eine Lücke
klafft
manchmal
zwischen meinem
Bewusstsein
und meinem
Dasein
und
manchmal
lasse ich
meine Angst
zu fehlen
einfach
Sein
„let it be“

Wünschen hält mich jung
nach hause
tragen Gedanken
tragende Gedanken
mich tragen meine Gedanken
nach hause
ich trage meine Gedanken
nach hause
kurz angekommen
krame ich im Merkkästchen
hatte sie gezählt
zähle Gedanken
meine Gedanken zählen
getippt fünf von acht
keine schlechte Quote
manche sind unterwegs
verloren gegangen
rechne mit Gedanken
Gedanken verloren
verlorene Gedanken
ich in Gedanken verloren
meine Gedanken verloren
und die restlichen
waren auch nicht mehr das,
was sie einmal waren

Lebend kommt hier keine raus
Was tue ich mit der Resterampe Freiheit?
es wird nichts besser
ich möchte sterben
falls es nichts mehr zu
tun gilt, suche ich mir etwas
erfinde den Koexistentialismus
kinderfreundlich, behindertengerecht
für Kommunarden, Bildhauer und Chöre
sonst will ich nicht mal mehr als Vogel oder Ölbaum
wiedergeboren werden


Bild: SchattenPolaroid“ Nicola Seitz

Die Künstlerin dieser Ausgabe

Nicola Seitz lebt in Krefeld. Was wissen wir über sie?  Sie ist Dichterin, Fotografin, Soziologin, Mutter, Frau…  – und es ist schön, sie auf einen Wein  – wo auch immer –  zu treffen. (Und wenn es dann auch noch Pizza gibt….!!!)  Ihre beiden Gedichtbände „einerseitz“, 2018 und  „andererseitz“ ,  2019, erchienen beide im Verlag, Trikont Duisburg/Dialog Edition.

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